Wir trauern um Wolfgang Becker: Ein persönlicher Abschiedsgruß von Michael Töteberg

Good Bye, Wolfgang! Mit großer Trauer nehmen wir Abschied von unserem Autor und Regisseur Wolfgang Becker. Er ist am 12. Dezember, kurz nach Abschluss der Dreharbeiten zu seinem Kinofilm «Der Held vom Bahnhof Friedrichstrasse», im Alter von 70 Jahren verstorben.

Porträt des Autors und Regisseurs Wolfgang Becker
© Florian Schneider

Wolfgang Becker studierte an der FU Berlin und an der DFFB. Sein Abschlussfilm «Schmetterlinge» gewann den Studenten-Oscar und den Goldenen Leoparden in Locarno. Mit den Regisseuren Tom Tykwer und Dani Levy, sowie mit dem Produzenten Stefan Arndt, gründete er 1994 die Produktionsfirma X Filme Creative Pool; und er war Gründungsmitglied der Deutschen Filmakademie. Er ist Kultregisseur seit «Das Leben ist eine Baustelle» und weltberühmt seit «Good Bye, Lenin!».

Wir sind sehr traurig. Unser Mitgefühl gilt seiner Familie, seinen Freunden und dem Team bei X Filme.

Michael Töteberg, der seine Projekte lange Jahre betreut und begleitet hat, hat einen Abschiedsgruß für Wolfgang Becker geschrieben:

Wolfgang Becker

Eine persönliche Erinnerung von Michael Töteberg

Sie kamen zu zweit, Wolfgang Becker und Tom Tykwer, denn sie hatten gemeinsam ein Drehbuch verfasst: «Das Leben ist eine Baustelle». Nun sollten Verträge gemacht werden, und wer glaubt, weil ihnen doch die Produktionsgesellschaft mitgehörte, es gebe nichts zu verhandeln, der kennt die Branche nicht. Außerdem gab es noch einen Koproduzenten …

Tom drehte «Lola rennt», «Der Krieger + die Kaiserin», «Heaven» – so schnell war Wolfgang nicht. Das Drehbuch zu «Good Bye, Lenin!» wurde gemeinsam mit Bernd Lichtenberg wieder und wieder umgearbeitet. Als es an die Drehvorbereitung ging, kam der Perfektionist Becker zum Vorschein: Mit Akribie sorgte er dafür, dass alles stimmte, nicht zuletzt das Warensortiment der verschwundenen DDR-Produkte, Filinchen, Tempo Erbsen und Spreewaldgurken, galt es doch, nicht nur die Mutter im Film, sondern auch das Publikum im Kino zu überzeugen.

Und dann: zu lang, über zwei Stunden. Alle redeten auf Becker ein, auf das letzte Drittel zu verzichten. Der Ausflug zur Familien-Datsche, die Begegnung mit dem Vater: überflüssig, nur noch ein Anhängsel. Doch Becker, westfälischer Dickkopf, ließ sich nicht beirren: Becker konnte stur sein und er behielt recht.

Der internationale Erfolg von «Good Bye, Lenin!» trug Becker ein paar Jahre um die Welt. Viele Kleinigkeiten entstanden, aber der nächste Spielfilm ließ wieder zehn Jahre auf sich warten. Becker arbeitete mit Dani Levy an «Oskar», Thema: Erich Kästners Fake-Dreharbeiten 1945 in Mayrhofen. Das Projekt war schon weitgediehen, doch Becker, nicht zufrieden mit dem Drehbuch, wandte sich einem – vermeintlich – nicht so aufwendigen, kleineren Film zu: «Ich und Kaminski». Was Becker dann daraus machte, war kein kleiner Film mehr.

Wieder gingen fast zehn Jahre ins Land. Eine Totgeburt war «Berlin Sunrise»: Die Geschichte spielte auf einem Kahn in der Spree, eine Hommage an «Unter den Brücken», einen Lieblingsfilm von Becker, doch bekam er sie nicht in den Griff. Dann fand er in Maxim Leos «Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße» den richtigen Stoff (und in Constantin Lieb einen Autor, mit dem er gut zusammenarbeitete).

«Der Schmerz geht, der Film bleibt», war eine Devise Beckers. Daran musste ich denken, als ich ihn während der Vorbereitungen traf. Nein, er sah nicht gut aus, der Krebs hatte ihn gezeichnet. Er ging wie stets an die Arbeit, Kompromisse an sich selbst und seinen Zustand erlaubte er sich nicht. Versicherbar war er schon lange nicht mehr. Man musste fürchten, dass er die Dreharbeiten nicht durchstehen würde.

Doch es ging gut. Ein paar Tage, nachdem abgedreht war, telefonierten wir. Becker war glücklich: Die Schauspieler großartig, das Team toll.

Dann der Schock: Wolfgang Becker ist tot. Ein großer Regisseur und ein lieber Freund, wir werden dich vermissen, Wolfgang.

Wolfgang Becker

Wolfgang Becker

Wolfgang Becker, 1954 geboren in Hemer, Westfalen.

1974–79 Studium an der FU Berlin, ab 1981 an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB).

Während des Studiums war er als Kameramann, Regisseur und Autor tätig. Für seinen Debütfilm «Schmetterlinge» erhielt er den Goldenen Leoparden in Locarno – Auftakt für eine Reihe von Auszeichnungen, zu denen u.a. der Deutsche Filmpreis für «Das Leben ist eine Baustelle» zählt.

Die Preise für «Good Bye, Lenin!» lassen sich kaum aufzählen: neun Lolas beim Deutschen Filmpreis, sechs Auszeichnungen beim Europäischen Filmpreis, Nominierung zum Golden Globe.

In Deutschland sahen weit mehr als 6 Millionen Zuschauer den Film im Kino; auch im Ausland wurde «Good Bye, Lenin!», in über 65 Länder verkauft, zu einem Publikumsrenner.

Wolfgang Becker ist am 12.12.2024, kurz nach Ende der Dreharbeiten zu seinem letzten Film «Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße», in Berlin verstorben.